Anita Lasker-Wallfisch

Wie sie durch Cellospielen den Holocaust überlebte

veröffentlicht am 07.11.2018 von Emma Bohne

Als Zeitzeugin hat Anita Lasker-Wallfisch, die durch viele Zufälle den Holocaust überlebte, schon im Bundestag über ihre Zeit im Konzentrationslager in Ausschwitz gesprochen. Vom 15.10 bis zum 17.10. erzählten sie und ihre Tochter Maya Jacobs-Wallfisch im Neuen Rathaus Schülern von dieser schrecklichen Zeit, in der unschuldige Menschen eingesperrt und auf grausame Art ermordet wurden und wie sich so eine Vergangenheit auf die nächste Generation auswirkt. Auch der zehnte Jahrgang der Tellkampfschule hatte die Ehre, an so einem Zeitzeuginnengespräch teilzuhaben.
Frau Lasker-Wallfisch berichtete von der Deportation ihrer Eltern, wie diese, als sie gerade einmal sechzehn Jahre alt war, nach Ausschwitz gebracht wurden und nie wieder zurückkehrten. Wie die Idylle, in der sie einmal gelebt hatte, mit liebevollen Eltern, die ihr das Cellospielen beibrachten, in einem Haus, in dem sonntags nur Französisch gesprochen wurde, zerstört wurde und sie als Jüdin auf der Straße plötzlich offene Anfeindungen erlebte. Ausreisen war zu dem Zeitpunkt der Deporationen nicht mehr möglich. Als die Kinder ihre Eltern begleiten wollten, anstand zurückzubleiben, sagte der Vater: „Das KZ ist ein Ort, an den man früh genug kommt.“ Ab diesem Zeitpunkt waren sie und ihre Schwester auf sich allein gestellt. In einer Fabrik, in der die beiden Zwangsarbeit verrichten mussten, nahmen sie Kontakt zu Mitarbeitern auf, welche französische Kriegsgefangene waren. Die beiden Schwestern fingen an, für diese Kriegsgefangenen Urkunden zu fälschen, und wagten schließlich selbst einen verzweifelten Fluchtversuch, wurden allerdings aufgegriffen und ins Gefängnis gebracht, wo sie ca. ein Jahr auf ihren Prozess warteten. Dennoch waren sie froh, im Gefängnis zu sein, denn jeder Tag im Gefängnis war ein Tag außerhalb eines KZ-Lagers.Anita Lasker-Wallfisch und ihre Schwester wurden nach dem Prozess getrennt, Renate Lasker-Harpprecht kam in ein Zuchthaus, sie selbst blieb im Gefängnis bis sie, noch vor Ende ihrer Strafe, nach Ausschwitz gebracht wurde. Zu unserem Entsetzen wurde sie damals gezwungen zu unterschreiben, dass sie freiwillig dort wäre. Ihr Kopf wurde rasiert und sie bekam die Nummer 69388 auf den Arm tätowiert. Doch zu ihrem Glück suchte das Lager-Orchester gerade eine Cellistin und so überlebte sie den Holocaust. Die Mitglieder des Orchesters wohnten neben der Rampe, wo täglich die Züge ankamen. So sah sie, wie Kinder und Erwachsene in Gaskammern gebracht, erschossen oder lebendig verbrannt wurden.
Wenig später kam auch ihre Schwester in Ausschwitz an und die beiden fanden sich durch Zufall auf dem riesigen Lagergelände wieder. Zusammen wurden sie nach Bergen-Belsen gebracht, wo sie inmitten verwesender Leichen, hungernd, krank und verletzt auf das Ende warteten. Doch schließlich kamen die Engländer und das Leiden hatte vorerst ein Ende. Anita Lasker-Wallfisch und ihre Schwester besaßen nichts, hatten kein Zuhause, keine Familie und noch viele Jahre später redeten sie nicht über ihre traumatische Vergangenheit in Ausschwitz.
Heute Sprechen sie im Radio, vor Schulklassen und in Talkshows über das Verbrechen an der Menschheit, dessen Opfer sie geworden sind. Wie sich all das auf das Leben der folgenden Generation auswirkt, erzählte uns im Anschluss ihre Tochter Maya Jacobs-Wallfisch. Unter anderem sprach sie darüber, dass bei ihnen zuhause Gesundheit und Sicherheit immer an erster Stelle standen und dass ihre Mutter ihr erst viel später von ihrer Vergangenheit erzählte. Sie hat uns erzählt, wie unwirklich ihr die Geschichte vorkam, als sie dann mit ihrer Mutter Ausschwitz besuchte.Als wir anschließend ein paar Fragen stellen durften, entwickelte sich eine Konversation zum Thema Antisemitismus heute. Frau Lasker-Wallfisch und auch ihre Tochter interessierte, ob wir heute antisemitische Sprüche in unserem Umfeld hören und ob wir in dem Fall dagegen vorgehen. Die meisten haben solche Äußerungen nie gehört, da wir kein antisemitistisches Umfeld haben, allerdings werden in entsprechenden Parteien wieder judenfeindliche Stimmen laut, was Frau Laster-Wallfisch schrecklich findet. „Ich verstehe gar nicht, was die damit erzielen wollen, wollen die wieder anfangen Juden zu ermorden?“ Eine berechtigte Frage. Um solche rechten und antisemitischen Orientierungen zu verhindern, ist es wichtig über diesen Teil der deutschen Geschichte aufzuklären.

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